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Liquides Lernen: Fließend statt lebenslang #Digitalisierung

Liquides Lernen - Arbeiten 4.0
… Liquides Lernen: Fließend, nicht nur um 15:00!

Lebenslanges Lernen.

Fanden Sie es auch schon immer unattraktiv, „lebenslang“ lernen zu sollen?

„Lebenslang“. Das klingt wie „Höchststrafe“!

Und doch: Wir leben in einer Arbeitswelt, die sich rasanter ändert denn je. Arbeiten 4.0 erfordert ein völlig überdachtes Konzept von Lernen und Weiterbildung. Denn der bekannte Ansatz von „Lebenslangem Lernen“ stößt an seine Grenzen und das nicht nur, weil er unattraktiv klingt.

Deshalb spreche ich ab sofort lieber von „Liquidem Lernen“.

Liquides Lernen?

Was ist denn das?

Seien Sie gespannt, was das ist! In diesem Teil 3 der Serie „Arbeiten 4.0 verändert die Welt“ werde ich das nämlich beschreiben:

„Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“

Ein bescheuerter Spruch, finden Sie nicht auch?

Früher dachte man das aber. Dass Menschen spätestens nach der Schule und nach dem Studium kaum noch etwas dazu lernen. Auf Dauer „fertig“ sind. Quasi kristallin erstarren. Man tat seinen Job. 40 Jahre lang dasselbe und dann ging man auf sein Altenteil.

Dass das auch schon früher eine falsche Sichtweise war, geschenkt. Dennoch ging man irrigerweise davon aus, dass irgendwann Schluss ist mit Lernen.

Grenzen lebenslangen Lernens

Dass das obige nicht gilt, weiß man schon seit längerem. Schon lange spricht man vom „Lebenslangen Lernen“ (LLL), einem Begriff den die UNESCO schon 1964 in die Debatte warf. Erwachsenenbildung entstand als eigene Disziplin. Man wusste: Erwachsene lernen auch noch, nur anders als Kinder oder Jugendliche.

Spätestens seit den 80ern wurde der Begriff des „Lebenslangen Lernens“ auch in Deutschland bekannter. Technologische Veränderungen erforderten ständiges Lernen, Anpassung an die beruflichen Veränderungen, die damit einher gehen.

Kritiker sprachen auch spöttisch vom „Lebenslänglichem Lernen“ (LLL). Bildung sei dazu verkommen, ökonomischen Notwendigkeiten untergeordnet zu werden. Die nicht-berufliche Erwachsenenbildung in Volkshochschulen und anderen Einrichtungen tat viel, um dieses Argument zu entkräften.

Die Hauptschwachstelle des Ansatzes von „Lebenslangem Lernen“ ist allerdings ihre Fokussierung auf institutionalisierte Weiterbildung. Nach dem Schema: Klassenraum und Start – Durchlauf – Ziel – Abschluss.

Schule für Erwachsene. Trainings in Klassenräumen. Selbst viele Webinarformate folgen diesem Ansatz.

Außerdem sind Lehrgänge und Kurskonzepte häufig durch fehlende Interdisziplinarität begrenzt. Diese ist aber gerade in einer stark vernetzten digitalisierten Arbeitswelt als Kernkompetenz erforderlich.

Liquides Lernen in der zunehmend digitalisierten Arbeitswelt

Spätestens in der digitalisierten Arbeitswelt, in der das Arbeiten 4.0 passiert, bei der wir heute noch nicht wissen, wie wir in drei oder fünf Jahren arbeiten werden, kommt das Konzept von lebenslangem Lernen mit institutionalisierter Weiterbildung, bei der man alle paar Jahre mal einen Kurs besucht oder eine einzige Aufstiegsfortbildung im Leben macht an seine Grenzen.

Denn: In einer dynamischen, sich stetig verändernden Arbeitswelt lernen wir sowieso ständig. Bewusst oder unbewusst, freiwillig oder gezwungenermaßen.

Gerade Wissensarbeiter lernen ständig zum Beispiel durch:

  • Ablegen einer Weiterbildungsprüfung bei der IHK, Hochschule o.ä.
  • Besuch eines Webinars über Kundenkommunikation
  • Rezipieren von Expertenblogs per RSS-Feed
  • Gespräche mit Fachleuten, Kollegen, Peer Group
  • Teilnahme an Kongressen, Konferenzen, Barcamps
  • Digitale Vernetzung über Social Media wie Twitter, Facebook etc.
  • Lesen eines Fachbuches (!), so herrlich analog
  • Schauen von gutgemachten Youtube-Videos zu Fachthemen
  • Beratung von Kunden, die einem mit neuen Situationen Rätsel aufgeben
  • Teammeetings zum Beispiel in Form von Brainstormings mit Kollegen, Co-Workern, Mitstreitern
  • Beschäftigung mit neuen Tools und Gadgets (Erinnern Sie sich ans Ihr erstes Smartphone?)
  • Systematische Ausweitung des eignenen Aufgabenbereichs mit neuen Challenges
  • Einarbeitung neuer Mitarbeiter (kennen Sie die neugierigen Fragen, die einen selbst zum denken anregen?)
  • Systematisch Kaffeetrinken: Netzwerken mit Menschen, die sich dort bewegen, wo ich hinmöchte.

In all diesen Situationen lernen Sie.

Ständig.

Neues.

Nur: Wir nehmen unser Lernen oft gar nicht als solches bewusst wahr. „Ist ja nur ‚Kaffeetrinken‘.“ „Youtube ist doch kein Lernen.“ Machen wir uns alle Situationen bewusst, in denen Lernen geschieht. Würdigen wir das und führen solche Situationen systematisch herbei. Systematisch kaffeetrinkend lernen gewissermaßen.

Die Mischung aus all den heute üblichen verschiedenen Lernformen nenne ich ab sofort

Liquides Lernen.

Liquides Lernen – fließend, andauernd, spielerisch

Liquide übersetzt übrigens „flüssig, fließend“.

Und das passt:

Liquides Lernen – fließendes Lernen.

Lernen geschieht heute auch bei Erwachsenen längst nicht mehr punktuell nur in sporadischen Häppchen von kurzen berufsorientierten Fachseminaren – Start, Duchlauf, Ziel. Sie lernen auch nicht nur in klassischen Unterrichtssituationen. Viele Lernerfahrungen nehmen Sie gar möglicherweise bisher nicht als solche wahr. Denn

  • Liquides Lernen in der digitalen Arbeitswelt geschieht fließend und andauernd.
  • Liquides Lernen beinhaltet eine gesunde Mischung verschiedener Lernformen: Unterricht, Workshops, Webinare, Lernen durch Gespräche, Youtubes, Besuch von Konferenzen, Lesen von Fachliteratur etc. …
  • Liquides Lernen zeichnet sich durch ein hohes Maß an Selbststeuerung und Autonomie des Lernens aus.
  • Liquides Lernen ist oft spielerisch und kreativ (und Arbeiten auch).
  • Liquides Lernen geschieht auch beim alltäglichen Arbeiten.
  • Bei Liquidem Lernen geht es nicht um das Lernen von Wissen, sondern um das Lernen von Neuem.
  • Liquides Lernen geschieht besonders in der Wahrnehmung: „Wow! Ich lerne grad etwas Neues“

Nebenbei: Beobachten Sie kleine Kinder. Sie lernen in (fast) jeder Lebenssituation durch forscherische Neugier. Das ist auch für Kleinkinder manchmal ein richtiges Stück Arbeit. Aber eben auch Freude, Herausforderung, Horizonterweiterung. Kreativität entsteht häufig in spontanen Situationen. Bisweilen ist der Lerneffekt dann besonders intensiv. Ach so: Und dabei ist natürlich „Fehlermachendürfen“ Teil der Lernerfahrung. Sonst ginge das ja gar nicht.

5 Tipps, wie Sie liquide lernen

Liquides Lernen – fließendes Lernen geht richtig gut, wenn man sich gewahr ist, dass man eigentlich fast ständig etwas Neues lernen kann. Liquides Lernen zeichnet sich aus durch aktives TUN, denn wir sind „Aktive Lerner“. Und diesem Credo folgen auch meine 5 Tipps zum Liquiden Lernen:

  • Nehmen Sie bewusst wahr, wenn Sie im Beruf, in Ihrer alltäglichen Arbeitswelt etwas Neues erfahren. Werten Sie es als Lernen.
  • Initiieren Sie selbst Lernsituationen, indem Sie sich für Ihr berufliches Thema stetig auf dem Laufenden halten, indem Sie Blogs und Fachliteratur lesen, Trendsetter Ihrer Branche verfolgen, sich regelmäßig mit Kollegen über Neuerungen und Trends unterhalten.
  • Beobachten Sie, wie erfolgreiche Vorbilder oder Kollegen Ihres Themengebiets lernen. Was tun diese eigentlich in Sachen Erkenntnisgewinn?
  • Sprechen Sie regelmäßig Ihre Firma, Chefs und Kollegen an, dass Sie beruflich Neues lernen möchten und dafür Zeit, Raum und Förderung wünschen.
  • Planen Sie, wenn Sie institutionalisiert lernen möchten. Informieren Sie sich über klassische Weiterbildungsmöglichkeiten und deren Aufwand und Nutzen.

Disclaimer: Natürlich hat institutionalisiertes Lernen seine Berechtigung. Klar! Ich propagiere das ja schließlich täglich: Weiterbildung in Form von Unterricht und Training ist unser Business in der LVQ. Anerkannte Abschlüsse sind für berufliches Fortkommen oft unerlässlich, diese gibt’s meist nur nach klassischen Weiterbildungen. Gut gemachte Präsenzseminare mit gleichgesinnten Mitstreitern haben überdies noch den Luxus, in einem komprimierten Zeitraum systematisch wertvolle Dinge zu lernen und sich darüber auszutauschen. Mein Ansatz vom liquiden Lernen meint auch diese Lernform. Aber eben auch viel mehr.

Und jetzt Sie!

Welche Erfahrungen machen Sie mit informellen und formellen Arten des Lernens?

Der Autor: Lars Hahn ist der Entdecker von ‚Systematisch Kaffeetrinken‘ und Social Media Enthusiast. Hier bloggt er persönlich. Als Geschäftsführer der „LVQ Weiterbildung gGmbH“ beschäftigt er sich mit Weiterbildung, Recruiting, Arbeitsmarktthemen, Karriereberatung und Social Media. Lars Hahn ist zu finden bei XING, Google+, Twitter und in vielen anderen sozialen Netzwerken.

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Von Lars Hahn

Entdecker von 'Systematisch Kaffeetrinken'. Hier persönlich. Sonst Geschäftsführer @LVQ_Bildung. Bloggt über die Arbeitswelt, Social Media und allerlei Digitalkram.

11 Antworten auf „Liquides Lernen: Fließend statt lebenslang #Digitalisierung“

Hi Lars,

ein wirklich schöner neuer Begriff, der in jedem Fall dazu anregt die eigene Lernsituation zu reflektieren.
Als Teil meiner weiter andauernden Reflexion bin ich vom „Lernen“ als einem Werkzeug zum „Wachstum“ als einem Zielsetzung gelandet. Ich bin zwar körperlich groß und schrumpfe inzwischen äußerlich wieder, innerlich hab ich mir jedoch als Ziel gesetzt mein „Wachstum“ fortzusetzen, also mit immer wieder selbst zu reflektieren, Wissenslücken in für mich interessanten und spannenden Bereichen zu füllen, Neues anzunehmen und zu erleben wo es für mich passt usw..
Bislang hatte ich noch keinen Begriff dafür, würde es aber zur Zeit wohl als „bww“ = „bewusst weiter wachsen“ bezeichnen. Nur so als Input von der Seite.
„Fluides Lernen“ gefällt mir als Begriff jedenfalls auch besser als lebenslanges Lernen.

Viele Grüße
Guido

Gefällt mir gut, das mit dem „Bewusst wachsen“.
Lernen scheint mir nur aktiver zu klingen als wachsen. Deswegen mag ich das Ding mit dem Liquiden Lernen ganz gerne. ;-)

Genau, das, was ich erfahren habe und so mich wieder und besser integrierte. Gelohnt hat es sich in jeder Hinsicht.
Rückblickend sind so manche ungeliebte Herausforderungen gute Motivationen.
Gruß aus dem heute an den großen Staatsmann Helmut Schmidt gedenkenden Hamburg

Liquides Lernen hört sich gut an, aber für mich klingt auch lebenslanges Lernen nicht als „Höchststrafe“, sondern als spannende Herausforderung. Wenn ich nicht regelmäßig etwas Neues lernen würde, wäre mir langweilig. Ich nutze dafür, wie oben gezeigt, verschiedenste Quellen. Wenn ich etwas nicht weiß, wird (digital) „nachgeschlagen“.
Aber Lernen ist für mich weit mehr als die Erweiterung meines Wissens. Es dient der Erweiterung des eigenen Horizonts. Als Beispiel: Wenn man eine Sprache lernt, lernt man auch etwas über Land und Leute.
Deshalb gefällt mir auch das folgende Zitat von Albert Einstein besonders:
Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.

Neugier!
Das ist für mich auch der Schlüssel zu wirksamen Lernen.
Nur: Schule und formalisierte Bildung scheint mir bisweilen die Neugier eher zu unterdrücken. Wenns um’s Ab-Lernen von Curricula geht.

Lieber Lars,

spannende Gedanken, die du dir hier gemacht hast. Wobei ich mit dem Begriff „Lebenslanges Lernen“ bei Weitem nicht so negative Assoziationen verbinde, wie es in der Einleitung zu deinem Text anklingt. Ich für mich verstehe darunter im Grunde genau das, was du weiter unten als „Liquides Lernen“ bezeichnest. Ich kann den Kern deiner Gedanken also an sich sehr gut nachvollziehen.
Vielleicht ist der Begriff des lebenslangen Lernens vor allem aufgrund bestimmter Erfahrungen und Kontexte für manch einen in dieses Licht geraten. Mein Wunsch, mein Leben lang lernen zu wollen, klingt für mich allerdings per se alles andere als unattraktiv. :)

Lieben Gruß aus Münster
Edda

Eigentlich nicht. Lebenslang ist nur so formalisiert und so festgelegt auf eine große Lebenspanne. Die Kombination macht die Musik. Und die klingt in der Tat eher nach „Wir müssen“ als „wir wollen“.

[…] Karriere in der digitalisierten Arbeitswelt hingegen bedeutet Vielschichtigkeit, Gleichzeitigkeit von vermeintlich Widersprüchlichem. Unsere Kollegen von Rundstedt sprechen dabei von Mosaik-Karriere, andere nennen es Patchwork-Karriere. Unser Berufsleben ist in Zukunft mehr und mehr geprägt von Jobwechseln, unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnissen und „liquiden Lernen“. […]

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