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Bewegte Zeiten. #Arbeitszeit in der digitalisierten Arbeitswelt.

Arbeitszeit Systematisch Kaffeetrinken
… Arbeitszeit 4.0: Bewegte Zeiten …

Es ist kompliziert!

Die Sache mit der Arbeitszeit.

39-Stundenwoche-Stechuhr-Präzision auf der einen Seite. Komplette, absolute Vertrauensarbeitszeit auf der anderen Seite.

Dazwischen emsige Versuche die Work-Life-Balance irgendwie im Gleichgewicht zu halten.

In der modernen digitalisierten Arbeitswelt lösen sich traditionelle lange übliche Muster des Arbeitens auf. Unter dem Begriff Arbeiten 4.0 etablieren sich neue Formen des Arbeitens, so auch in Sachen Arbeitszeit.

Die klassische Trennung von Arbeitszeit und anderer Lebenszeit verwässert bei vielen Menschen immer stärker durch die ständige Erreichbarkeit per Smartphone. Umgekehrt wird persönliche gar private Kommunikation per Facebook am Arbeitsplatz möglich und gern genutzt. Freizeit in der Arbeitszeit? Privates und Arbeit verschwimmt. Der klassische Begriff von Arbeitszeit wird obsolet. Oder?!

Bewegte Arbeitszeiten: Mein zweiter Artikel der kleinen Serie „Arbeiten 4.0 verändert die Welt“ ist ein Beitrag zur Blogparade #Arbeitszeit von XING spielraum.

Wie Sie selbst spätestens beim nächsten Job Ihrer Ideal-Vorstellung von #Arbeitszeit näher kommen, erfahren Sie in den 3 Tipps am Ende des Beitrags.

Doch zuerst von Anfang an:

Kleine Historie der Arbeitszeit

Den revolutionären Charakter moderner Arbeitsformen können Sie erkennen, wenn Sie zum Vergleich eine Mini-Zeitreise durch verschiedene Epochen machen und das jeweilige Verständnis von Arbeitszeit betrachten:

Ora et labora – natürliche Arbeitszeit und Opfer

Über Jahrhunderte, gar Jahrtausende arbeiteten die meisten Menschen von Sonnenaufgang bis Einbruch der Dunkelheit, um ihre Existenz zu sichern. Ansonsten wurde gegessen, gebetet und geschlafen. Es galt der Benediktinerspruch „Ora et labora“ – „Bete und arbeite“.

In der protestantischen Arbeitsethik galt Arbeit als Pflicht und als gottgewollter Lebenszweck. Arbeitszeit könnte demgemäß auch als dargebrachtes Opfer betrachtet werden.

Industriezeitalter und Arbeitszeit per Stempeluhr

Unser heutiges traditionelles Verständnis von Arbeitszeit ist stark geprägt von den Erfordernissen des Industriezeitalters.

Arbeitsleistung wird vermessen, eine wichtige Einheit ist die Arbeitszeit. Das Messgerät ist die Stempeluhr oder Stechuhr. Größen sind Arbeitszeit, Arbeitszeitverkürzung, Urlaubs- und Pausenregelungen. Arbeitskämpfe um Wochenarbeitszeiten. 35-Stundenwoche. „Samstags gehört Papi mir.“ Arbeitszeit wird vermessen nach allen Regeln der Kunst.

Grundannahme des gesamten Stempeluhr-Zeitalters ist, dass eine Person seine Arbeitszeit zur Bezahlung anbietet – laut Arbeitzeitgesetz (ArbZG) “die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit” (inklusive Pausen). Auch dieses Konzept betrachtet Arbeit als Pflichtleistung, gegen die es die Gegen-Leistung, den Lohn gibt.

Überhaupt: Gesetzliche Regelungen dienen dem Schutz der Arbeitnehmer, dass sie nicht (unentgeltlich) zu viel arbeiten. Stempeluhren bieten Sicherheit, diesen Schutz zu prüfen.

Aber sie zwingen alle Arbeitenden in das vorgegebene Zeitkorsett. Werkssirene. Präsentismus. Gemessen wird zu allererst die Anwesenheit am Arbeitsplatz und weniger die Leistung. Quantität vor Qualität?

„Daimler hat gerade verkündet, dass es seine Stechuhren abschaffen will“, heißt es im Blog „Zukunft Personal“. Das Stempeluhr-Konzept kommt in der Industrie 4.0 und digitalen Wissensgesellschaft an seine Grenzen.

NewWork, Digitalisierung, 24/7 und Vertrauens-Arbeitszeit

Denn in Zeiten von digitalisierter Wissensarbeit erscheint diese Auffassung von Stechuhrdenken anachronistisch. Was zählt ist die Leistung und nicht die Anwesenheit. Was zählt sind Ergebnisse und nicht die Stempelkarten.

Wissensarbeit erfordert flexible Arbeitsprozesse und damit auch flexible Arbeitszeiten. Marcus K. Reif beschreibt in seinem Beitrag zum Thema „eine ganz normale Arbeitswoche“. Homeoffice, Büro, Außentermine. Unterschiedliche Arbeitszeiten zu verschiedenen Anlässen. Herr Reif hat keine Stempelkarte.

Vertrauensarbeitszeit. Mitarbeiter erledigen ihre Aufgaben, die Zeiten sind flexibel bis frei. Flexizeit, Teilzeit, Elternzeit, Sabbaticals, Freelancer, Intrapreneure ergänzen oder ersetzen Vollzeit und Präsentismus.

Denn Arbeiten 4.0 bedeutet Flexibilisierung von Arbeitszeit.

Flexible Arbeitszeit – viel Bewegung, bewegte Zeiten

Im Ansatz von NewWork ist dabei idealerweise die Freiheit der Arbeitenden höher. Selbstbestimmte Wahl der Arbeitszeit (und –orte) erhöht die Kreativität und Innovation. Auch die in der IT-Szene verbreitete Hackerethik setzt Freiheit und selbstgewählte Arbeitszeit (und –orte) voraus.

Gleichzeitig wird der digitale Wissensarbeiter durch Smartphone, Homeoffice und andere Gadgets ständig verfügbar, immer und überall erreichbar. Wir Kunden wollen das schließlich: 24/7/365. 24 Stunden pro Tag, 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr. Service rund um die Uhr. Abends um 10 noch eine Mail, im Urlaub den einen oder anderen Anruf und samstags der Blogartikel.

Da ist unser ArbZG gar nicht auf der Höhe der Zeit! Es erhöht den Druck der Selbstdisziplin auf Mitarbeiter und Unternehmen gleichermaßen. Kein Wunder, dass Work-Life-Balance, Burnout, Digital Detox Erscheinungen des digitalen Zeitalters sind.

Wissensarbeiter! Gib auf Dich acht!

Tipp: Finden Sie Ihre persönliche Arbeitszeit!

Die Tendenz zu immer flexibleren Arbeitszeiten hat etwas für sich: Selbst wenn man nicht selbständig arbeiten möchte, findet man idealerweise das Unternehmen oder die Organisation, in der ich mein Ideal von Arbeitszeit leben kann.

Denn: Jeder Mensch hat unterschiedliche Bedürfnisse, auch in Sachen Arbeitszeit: Während der eine total flexible Arbeitszeiten bevorzugt, möchte der andere vielleicht einen völlig sicheren geregelten Rahmen im Sinne eines Präsentismus. Während der einen Vollzeitjob möchte, bevorzugt der nächste eine Kombi aus Teilzeit und Freelancer. Und die meisten werden irgendwo in der Mitte liegen (wie ich übrigens auch).

Übrigens bietet ein Jobwechsel die große Chance, auch das Thema Arbeitszeitgestaltung bei der Auswahl des neuen Jobs zu berücksichtigen:

Wenn Sie (das nächste Mal) eine neue Arbeitsstelle suchen, sich nicht nur in Sachen Gehalt und Themen beruflich neu zu positionieren, sondern auch in Sachen Arbeitszeit. Dafür gebe ich jetzt Ihnen meine

3 #Arbeitszeit-Tipps für jobwechselnde Wissensarbeiter:

  1. Fragen Sie im Bewerbungsgespräch oder beim informellen Kaffee, wie die Arbeitszeit im Unternehmen geregelt ist, z.B.: “Gibt es ein Zeiterfassungssystem?“. Sie erhalten einen Eindruck über die Zeitkultur.
  2. Bevor Sie eine neue Arbeitsstelle antreten, reden Sie bereits mit den Mitarbeitern. Lassen Sie sich durch das Haus führen und fragen Sie Menschen ihrer zukünftigen Abteilung, wie so ein typischer Arbeitstag abläuft.
  3. Vereinbaren Sie einen Probearbeitstag vor Vertragsunterzeichnung. Sie werden wahrnehmen, wie die Arbeits- und Pausenkultur ist.

Wenn Sie mit Menschen vor Ort Systematisch Kaffeetrinken, bevor Sie Ihre (nächste) Arbeitsstelle antreten, werden Sie viel über das Handling von Arbeitszeit erfahren. Und noch viel mehr.

Bonus-Track: Weitere Beiträge zum Thema

Und jetzt Sie!

Wie sind Ihre Erfahrungen im Umgang mit Arbeitszeit?

Haben Sie zum Beispiel Erlebnisse, wo Ihre Auffassung und die Ihres Unternehmens total unterschiedlich waren?

Dann ab in die Kommentare!

P.S. Meine eigene Arbeitsethik ist übrigens geprägt durch das Vorleben meines Vaters. Und der war Selbständig. Selbst und ständig.

Mein erster Job nach meinem Studium war in einem Bildungs-Startup, 80 Stunden waren da keine Seltenheit – wir galten bei Kollegen des traditionelleren Mutterhauses aber gerne als Akkordbrecher.

Heute bin ich als digitalaffiner Geschäftsführer mit einem gemischten #Arbeitszeit-Ansatz unterwegs. Präsenz ist in einem Bildungsinstitut mit Präsenzbetrieb grundsätzlich erforderlich. Aber Außentermine, gern abends und bisweilen Homeoffice auch mal sonntags machen das Ganze recht bunt. Denn: Dieser Blogartikel wurde verfasst an einem Samstag und einem Sonntag.

Der Autor: Lars Hahn ist der Entdecker von ‚Systematisch Kaffeetrinken‘ und Social Media Enthusiast. Hier bloggt er persönlich. Als Geschäftsführer der „LVQ Weiterbildung gGmbH“ beschäftigt er sich mit Weiterbildung, Recruiting, Arbeitsmarktthemen, Karriereberatung und Social Media. Lars Hahn ist zu finden bei XING, Google+, Twitter und in vielen anderen sozialen Netzwerken.

Von Lars Hahn

Entdecker von 'Systematisch Kaffeetrinken'. Hier persönlich. Sonst Geschäftsführer @LVQ_Bildung. Bloggt über die Arbeitswelt, Social Media und allerlei Digitalkram.

9 Antworten auf „Bewegte Zeiten. #Arbeitszeit in der digitalisierten Arbeitswelt.“

Hallo Lars,

ja, das mit dem selbst und ständig… ist so eine Sache…., hat aber für mich auch Vorteile: so kann ich an einem verregneten Sonntag einfach mich hinsetzen und etwas arbeiten oder einen Freitag nachmittag in der Sonne genießen und alles aus machen. Ich mag diese Flexibilität.

Aber auch die regelmäßige Arbeitszeit im Konzern, damals wars, hatte Vorteile und Nachteile. Es gab eine klare Struktur: zwischen 8 und 18 Uhr war Kernarbeitszeit, die gewünscht war. Und nach 37,5h war Schluss theoretisch. Auch hier war mal eine Verschiebung möglich. Allerdings waren freie Nachmittage oder gar Freizeitausgleich von kompletten Tagen oft schwierig.

Also hat beides Vor und Nachteile. Jeder muss einfach für sich entscheiden, welchen Rahmen er braucht und was das Unternehmen ihm bietet. So wie auch eine Selbständigkeit ihre Vor- und Nachteile hat und nicht für Jeden etwas ist.

Herzliche Grüße
Silke

Danke Silke, denkbar wäre ja auch eine Kombi, oder?! Sozusagen Teilzeit-Angestellt mit Freiberufler-Sahnehäubchen. Dann haste Vertrauensarbeitszeit-Präsentismus-Salat. ;-)

Leben und arbeiten, arbeiten um zu leben, leben um zu arbeiten? Die Grenzen waren wohl noch nie so fließend, ob angestellt, selbstständig oder tatsächlich Unternehmer mit Verantwortung, weitere Mieten/Haushalte neben dem eigenen Standard zu „wuppen“. Aber wie wäre es denn damit, das Beste aus beiden Welten? Wirklich nur eine halbe Stelle angestellt, die verbliebenen 70 oder auch nur 30% (je nach Commitment/ Perspektive) freiberuflich oder wirklich frei ;-)

Einer meiner ersten festangestellten Jobs nach dem Studium war bei einem Internetunternehmen in Aachen. Dessen Büro lag mitten in der Innenstadt und daher war es recht schwierig, dort in der Gegend morgens einen Parkplatz zu bekommen. Eines Tages kam ich gegen 9:05 ins Büro, da stand meine damalige Chefin auf den Zehen wippend in der Tür, schaute mahnend auf ihre Armbanduhr und meinte: „Du weißt aber schon, daß wir um 9 anfangen zu arbeiten und nicht um 5 Minuten nach 9?“
Schöner kann man ein Betriebsklima durch mangelndes Sozialverhalten kaum zerstören. Bis auf den Tag, da sie meinen Schreibtisch durchsuchte … aber das ist eine andere Geschichte ;)

Internetunternehmen – 5 Minuten (!).
Lass mich raten: Du hattest Dich ab dem Moment innerlich verabschiedet!?
Aber jetzt „Butter bei die Fische“, unter uns: Was war in diesem Schreibtisch… ;-)

Hallo Lars,

zu den 5 Minuten noch: ich wurde daraufhin verpflichtet, auf meine Kosten (!) einen Tiefgaragenstellplatz unter dem Office zu mieten. Vielleicht käme ich dann ja pünktlicher, war der süffisante Kommentar.
Die Vorgeschichte zum Schreibtisch: ich hatte eine private Domain. Die wollte ich kündigen. Dazu hatte ich das Kündigungsschreiben ausgedruckt im Rollcontainer liegen, weil ich damit zur Post wollte. Nach dem Mittagessen entspann sich folgendes Gespräch:
„Ich habe eben deinen Schreibtisch durchgesehen! Und darin private Papiere von dir gefunden!“
„Aha? Hast du das?“
„Ja. Das mache ich von jetzt an jeden Monat!“
Da hab ich mich rum gedreht, „Wie du meinst …“ gemurmelt und bin an meinen Schreibtisch zurück gegangen. An diesem Abend hab ich dann die Kündigung zu Hause geschrieben. Die wurde am nächsten Tag mit einem Grinsen und den Worten entgegen genommen, damit habe sie schon gerechnet. Aber einen schönen Zeichensatz hätte ich genommen …

Wenn ich so die Bewertungen auf Kununu durchlese, hat sich an der Atmosphäre in dem Unternehmen seitdem nicht viel geändert. Das war dann mein Stein des Anstoßes, mich selbstständig zu machen. :)

Viele Grüße, Volker

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