Lebenslauf?
Who am I, anyway?
Am I my resume‘?
That is a picture of a person I don’t know.
(A Chorus Line)
Sabine R., immerhin studierte Biologin, hatte geschätzte Wochen damit verbracht, ihren Lebenslauf zu pimpen. Sie versuchte, es so zu deichseln, dass die elf Jahre Elternzeit gewissermaßen gar nicht vorkamen. Den Lebenslauf so zu kaschieren, dass er stromlinienförmig in den Stapel der anderen passt. „Das sind Sie doch gar nicht!“, meinte ich im Gespräch. „Stimmt“, sagte sie, „aber sonst hab ich doch gar keine Chance!“
Verbiegen für den Lebenslauf?
Lebenslauf-Strategiebücher
Na klar: Jeder, der sich auf die Jobsuche macht, braucht einen ordentlichen Lebenslauf. Denn spätestens im Gespräch mit einem Entscheider ist die gute Pdf-Datei, meistens ausgedruckt dann doch Gegenstand des Gesprächs.
Klar strukturiert sollte er sein, dem Stand der Technik entsprechen. Dafür gibt es unzählige Anleitungen. Bücher von Hesse und Schrader oder wahlweise von Püttjer und Schnierda gehören immer noch zum Gabentisch in den Buchhandlungen. Dabei gibt es im Internet auch ganz brauchbare Infos. Bei Karrierebibel.de sowieso, aber auch die Jobbörse Stepstone bietet gute Lektüre zum Download. XING hat mit Lebenslauf.com grad ein entsprechendes Feature dazugeholt. Und gefühlte 200.000 Karriere- und Lebenslauf-Berater kümmern sich darum, dass Sie einen „guten“ Lebenslauf bekommen.
Aber die beste Literatur und allerlei Profis mögen über eines nicht hinwegtäuschen: Wenn ich mich auf richtig tolle Stellen bewerben täte und mein Lebenslauf wäre – sagen wir mal – bewegt, dann würde der toll gepimpte Lebenslauf auch nichts ausrichten. Auf dem klassischen Weg der Bewerbung kriegt „der bewegte Lebenslauf“ nämlich gar kein Gespräch.
Buntere Lebensläufe – Machtverschiebung?
Aktuell befasst sich XING-spielraum mit dem Thema Lebensläufe. XING-Kommunikationschef Marc Sven Kopka haut gleich im Editorial richtig rein: Lebensläufe würden immer bunter. Und das läge an der Machtverschiebung, weg vom Unternehmen hin zum Bewerber.
„Jaaaaa“, sag ich da, „das stimmt wohl für die Creme de la Creme der Young Professionals und High Potentials der jungen Generation, die man auch mit Y belabelt! Klar der demografische Wandel und der Fachkräftemangel und so!“
Lebenslauf-Geschädigte
Für eine große Mehrzahl von Jobsuchenden gilt indessen aktuell immer noch: Mach den Lebenslauf so passend zur Stellenanzeige wie irgend geht! Nur: Wenn grad mein Lebenslauf bewegt ist, geht’s bisweilen eben nicht. Lücken. Brüche. Erklärungsbedarf. Das ist kein Randgruppenproblem. Das geht vielen so:
- Späten Hochschulabsolventen jenseits der dreißig
- Wiedereinsteigenden akademischen Mütter
- Grünschnäbeln ohne Berufspraxis
- Führungskräften jenseits der fünfzig, wenn sie nicht DAX-Vorstände oder Westerwelle waren
- Exoten-Bachelor, deren Studieninhalte man allenfalls erahnen kann
- Quereinsteigern mit der falschen Berufspraxis
- Genesene Kranke, gleich ob Bandscheibe oder Burnout
- Alt-Herren-Garde mit zu viel Berufspraxis
- Und, und, und … Hab ich noch jemand vergessen?
Ach ja, aufgepasst! Es gilt vor allem für die unfreiwilligen Vorkämpfer des Sabbatjahrs, für die qualifizierteren Langzeitarbeitslosen.
Sabbatjahr kaschiert den Lebenslauf
Genau! Das so gehypte Sabbatjahr ist nämlich keine Neuerfindung von Sozialforschern und HR-Spezialisten. Nein, das gibt es schon lange. Die Führungskraft mit Burnout hat es nur seit der Erfindung des Begriffs leichter, das Jahr Auszeit zu erklären. Übrigens hat mir noch kein Personaler gesagt, er fühle sich wohl bei der Vorstellung, dass Mitarbeiter ein Jahr Auszeit nähmen. Gibt es eigentlich Studien, die aussagen, wieviel Prozent freiwilliger Sabbatianer zurückgehen ins gleiche Unternehmen?
Zurück zum Lebenslauf! Für die oben zitierten Gruppen gilt mein Spruch aus der Überschrift: „Vergessen Sie Ihren Lebenslauf!“
Ketzerisch formuliert: „Spätestens nach der 50. Bewerbung schmeißen Sie Ihren Lebenslauf weg und zwingen sich dadurch, andere erfolgreichere Wege der Jobsuche einzuschlagen!“*
10 erfolgreichere Wege der Jobsuche
Andere, erfolgreichere Wege der Jobsuche setzen meistens etwas voraus: Sie wissen, was Sie wollen und Sie wissen, wohin Sie wollen. Deshalb steht an erster Stelle meiner Liste auch
- Eine genaue Selbstanalyse und Positionierung („Wo will ich eigentlich hin, wenn ich könnte, wie ich wollte?“). Und außerdem:
- Ein optimiertes, inspirierendes XING-Profil
- Das (reaktivierte) Netzwerk von ehemaligen Kollegen und Wegbegleitern
- Das Netzwerk aus Freunden, Verwandten („der Schwager“!), Vereinskollegen, Elternbekanntschaften…
- Das Kaffeetrinken mit der Schulfreundin von vor 20 Jahren
- Die Empfehlung durch die Einkäuferin des wichtigsten Kunden im letzten Job
- XING als „Schweizer Messer“ der Jobsuche: Aktiv neue Kontakte finden und netzwerken
- Ein Besuch einer Fachkonferenz oder Branchenmesse
- Eine zielorientierte Weiterbildung, vielleicht mit Praktikum?
- Und generell viel Systematisch Kaffeetrinken!
Fällt Ihnen was auf? Irgendwie haben alle 10 Wege etwas mit Gesprächen zu tun. Und zwar mit informellen Gesprächen, die Sie sich aktiv selbst organisieren können. Gespräche, die in der Regel 1.000 mal entspannter laufen, als die Vorstellungsgespräche, die Sie möglicherweise sowieso nur schwer bekommen. Gespräche, in denen Sie die Fragen stellen dürfen!
Wäre das nicht klasse? Sie können das Heft in die Hand nehmen? Sie führen die Jobinterviews!
100 Erfolgsgeschichten
Jetzt mögen Sie fragen: Funktioniert das denn? Ja, es funktioniert. Wir haben hunderte mal erfahren, das es geht und wie es geht. Und – pssst, geheim – ich arbeite sogar auf diese Weise.
Dennoch: Ich sammle Geschichten über die gelungenen Einstiege abseits der Bewerbungen, Lebensläufe und Vorstellungsgespräche!
Haben Sie Ihren Job ohne den klassischen Weg mit Lebenslauf stattdessen durch Gespräche bekommen?
Helfen Sie mir! Schreiben Sie mir Ihre Geschichte. Idealerweise bitte in die Kommentare.
* Natürlich schmeißen Sie den Lebenslauf nicht weg. Spätestens beim Gespräch mit der Personalchefin brauchen Sie ihn doch!
Der Autor: Lars Hahn ist der Entdecker von ‚Systematisch Kaffeetrinken‘ und Social Media Enthusiast. Hier bloggt er persönlich. Als Geschäftsführer der „LVQ Weiterbildung gGmbH“ beschäftigt er sich mit Weiterbildung, Recruiting, Arbeitsmarktthemen, Karriereberatung und Social Media. Lars Hahn ist zu finden bei XING, Google+, Twitter und in vielen anderen sozialen Netzwerken.
13 Antworten auf „Lebenslauf? Vergiss es! 10 erfolgreichere Wege für die Jobsuche!“
Moin,
also ich würde mich bei der Vorstellung mit dem Jahr Auszeit durchaus wohl fühlen und was ich beruflich mache ist bekannt. So eine Studie ist mir noch nicht untergekommen, btw. Bisher nur Konzepte wie man die Connection hält… Aber da wären wir letztlich auch wieder beim Thema „Kaffeetrinken“ ;)
Herzliche Grüße
Stefan
Hallo Stefan,
klar. Wohlfühlen würden sich wohl viele mit dem Gedanken an ein Sabbatjahr. Die Konzepte für die Connection fände ich allerdings interessant. Das wäre was für ein Kaffeetrinken.
Vorab: Weißt Du gute Schilderungen und Quellen von Sabbatianern aus Deutschland über ihr Sabbatjahr?
LG
Lars
Hallo Lars,
Christoph Raatz ist ein Paradebeispiel eines Sabbatianers.
http://heart-worx.com/christoph-raatz-vom-ibm-manager-zum-heartleader/
Meld Dich einfach, wenn Du mehr wissen möchtest..
Liebe Grüße,
Andrea
Oh, vielen Dank.
Das kling ja spannend.
Hey, ja es geht mir nicht persönlich darum eines zu nehmen, sondern ich hätte auch keine Bauchschmerzen sie zu geben. Wenn man die Beziehung dennoch pflegt hat man bestimmt gute Chancen dass der Kollege/die Kollegin auch den Weg zurück findet.. Sorry, Quellen habe ich keine, leider.
LG
Stefan
Hallo Lars,
ich habe ca. 90% meiner Jobs durch Gespräche mit meinem Netzwerk bekommen! Angefangen mit meinem allerersten Job nach dem Studium. Den habe ich im Flieger von London zurück nach Weeze bekommen. :-) Vor mir im Flieger saßen zwei Herren, die grün-karierte Hemden eines Tiefkühlliferdienstes trugen. Ich habe kurzerhand gefragt, ob die zwei wichtig wären bei der Firma…. Die Kinnladen gingen bei beiden runter und ehe sie antworten konnten, erwähnte ich, dass ich einen Job suche und wenn sie eine nette Mitarbeiterin bräuchten, ich hätte grade ein bisschen Zeit. Visitenkarte nbekommen und 3 Monate später meinen ersten richtigen Job als Teamleiterin! Yeah!
Den zwieten Job habe ich über eine ehemalige Kollegin vom Tiefkühllieferdienst bekommen. Die ist zu einem Personaldienstleister gewechselt und zur Teamleiterin aufgestiegen. Somit war eine Stelle als Disponentin (ja, so hieß das früher!) frei.
Den dritten Job habe ich klassisch in den Print-Medien gefunden – ok, das war auch bei Siemens, soweit reichten mein Netzwerk und meine große Klappe damals noch nicht!
Nach meiner Zeit bei Siemens dann wieder ein Job übers Netzwerk „Digitale Stadt Düsseldorf“ – wer einen Job in der IT- und Medienwelt will, sollte hier vorbeischauen! Das größte Netzwerk seiner Art!
Danach wieder einen Job übers Netzwerk, den Herausgeber des Newletters „PERSONAL intern“ Bernd Gey! Toller Newletter, total vernetzter Typ in der HR-Szene!
Meinen jetzigen Job habe ich… Na, wer ahnt es? Ja, auch übers Netzwerk erhalten! Und hätte ich mich hier mit meinem „bunten“ Lebenslauf über den offiziellen Weg beworben, hätten die mich nie zum gespräch eingeladen! :-) Das weiß ich aus sicherer Quelle! Aber so konnte ich voll im Gespräch überzeugen!
Natürlich ahbe ich mich auch klassisch beworben, aber das hat in der Regel nur zu ein paar Vorstellungsgesprächen geholfen…
Daher kann ich dir nur beipflichten, dass jeder deine 10 Tipps beherzigen soll!
LG
Anika
Guten Tag aus Bayern!
Die Tipps und auch der Erfahrungshorizont stimmt in diesem Artikel sehr gut mit der Realität überein. Und ja, ich bekenne mich kurz an dieser Stelle, ich gehöre zur Spezies der „Bewegten Lebensläufler.“
Als kleine Anmerkung sei noch erwähnt, wie reizvoll es werden kann, wenn man trotz eines abwechslungsreichen CVs Gespräche führt (führen muss) und sich permanent in der Verteidigungsposition befindet. Ist mir leider selbst mehrfach so ergangen, aber dazu in meinem eigenen Blog zu späterer Zeit noch mehr. Sofern ich den Gedankensplitter jetzt nicht verliere.
Ich habe übrigens mein XING-Profil tatsächlich komplett eingefügt, da ich mir selbst die klare Ansage gegeben habe: entweder, man nimmt mich (und das Leben) so, wie es ist oder halt nicht. Aber Lust auf Spielereien mit meinem Lebenslauf habe ich nicht mehr und ich empfinde mich mit Ende 30 auch als (er-)gelebtes „Diversity Management & Teambuilding.“
Toller Artikel und ein spannendes Thema weiterhin.
Mit besten Grüßen vor der großem Sommerurlaubsrallye,
Marc Mertens
Vielen Dank. Interessanter Blickpunkt: Ein ehrliches XING-Profil ergibt den passenden Arbeitgeber.
[…] Viele greifen beim anstehenden Jobwechsel reflexartig zum Standardrepertoire: Der Bewerbung mit Mappe und pdf-Datei – und Lebenslauf. Dabei erreicht man darüber nur den offenen Stellenmarkt, der oft trotz aller Fachkräftemangel-Schwüre überlaufen und umkämpft ist. Den spannenderen und verdeckten Stellenmarkt hingegen erreicht man primär nicht über den Lebenslauf, sondern über Netzwerke, Empfehlungen und Systematisch Kaffeetrinken. […]
Guten Tag,
zufällig bin ich auf diesen Beitrag gestoßen, der mir aus der Seele spricht. Ich möchte dazu etwas schreiben.
Nachdem ich bei vielen staatlichen Institutionen (Bundeswehr, Bürgeramt usw.) jeweils beim letzten Bewerbungsgespräch für ein Duales Studium in Bezug auf eine spätere Karriere als Führungskraft gescheitert bin – die schriftlichen Vortests habe ich bestanden -, bin ich immer wieder mit Brüchen in meinem Lebenslauf konfrontiert worden.
Ich bin 27, habe mit 18 mein Abitur gemacht und mehrere Studiengänge gewechselt. Egal wo, das Gespräch mündete in einzigen Bedrängung – ich hatte das Gefühl, mich ständig rechtfertigen zu müssen; überall das gleiche Szenario: von Ausbildungsplätzen hin zum Dualen Studium, bei Studentenjobs, etc.
Nun bin ich karrieretechnisch vielleicht nicht so weit wie die meisten von Ihnen und gewiss könnten auch Sie mir anlasten, ich hätte ja alles besser, geradliniger machen können. Aber nein, es ging nicht. Und heute sage ich mir: es war gut so. Mein Leben war ein Kampf bis hier hin – und ich bin immer wieder aufgestanden. Aber darüber darf ich ja nicht sprechen. Ich muss mich ja als Produkt vermarkten, nicht als Mensch, der an seinen Hürden gewachsen ist. Ich soll ja das handelnde Werkzeug, nicht der denkende Mitgestalter sein.
Ich gehe jetzt so weit, dass ich mir geschworen habe: ich versende keinen Lebenslauf mehr. Mein Lebensweg geht niemanden mehr etwas an. Und wenn mein Gegenüber das nicht akzeptiert, dann wäre ich dort auch nicht richtig. Ich werde mich niemals wieder von einem Personaler demütigen oder zu Rechtfertigungen drängen lassen.
Und ich stimme Herrn Hahn vollkommen zu: informelle Gespräche sind der Schlüssel zum Erfolg. Oder abstrahiert: der Alternativweg, die Zugänge jenseits des Stroms. Die Masse an „bunten“ Bewerbern macht es schlicht unmöglich, aufzufallen. Da hilft nur ein anderer Kanal, auf dem nur weniger – oder nur man selbst – geschaltet ist. Dann ist die Aufmerksamkeit nur auf die eigene Person gerichtet – und wenn es der symbolische Kaffee ist, der ist unter Garantie günstiger als vier Fahrten vön Berlin nach Köln, nur um an der Symphatie dreier Führungskräfte zu scheitern…
Vielen Dank für Ihren ausführlichen Bericht. In der Tat sich bewegte Lebensäufe bei klassischen Unternehmen verpönt. Bewerbungen funktionieren eigentlich dann nur bei Startups. Dort achtet man mehr auf Kompetenzen und Charakter.
Und ansonsten gilt: Systematischkaffeetrinken und sich nicht unter kriegen lassen. Ihnen alles Gute.
[…] mit Lust, Lebenslauf-Mythen, LinkedIn, Lerntools, Liquides […]
[…] Also fing ich an zu überlegen, welche Alternativen ich denn hätte. […]