Disketten, Telefonzellen, Raider, der Brockhaus und die Musikcassette. Museumsheld Sebastian Hartmann beleuchtet das Phänomen des Verschwindens von Alltagsgegenständen in seinem Beitrag „Dinge, die aus unserem Alltag verschwinden“. Damit ruft auf, sich mit einem Beitrag zum Thema an einer Blogparade zu beteiligen. Ich bin darum mal in die Mottenkiste der Geschichte der Bewerbung gekrabbelt und hab meine Duraclip-Mappe wieder rausgeholt:
1990 war’s. Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat wollte mich gerne als Praktikant haben. Welche Ehre! Zumindest, wenn ich mich standesgemäß bewerben täte. Das war nun wirklich Neuland. Eine schriftliche Bewerbungsmappe hatte ich noch nie verfasst. War ich doch bis dahin immer fast ohne Papiere in meine Jobs hineingeraten.
Also:
- Gut musste sie sein.
- Besonders gut.
- Extrem professionell!
Meine erste Duraclip-Bewerbung
„Pst. Es gibt da diese Duraclip-Mappen. Die sind jetzt absoluter Geheim-Trend für Bewerbungen.“
Gesagt, getan! Kaufte ich mir, wie mir geheißen, eine Duraclip-Klemm-Mappe für sage und schreibe 2,39 Mark! Gepfeffert gegenüber den herkömmlichen Kunststoffschnellhefter von Herlitz für 59 Pfennig. Bewerbungsmappe deluxe!
So begann bei mir der Siegeszug der Duraclip-Mappe. Drei weitere Berufseinstiege und diverse Vorstellungsgespräche besorgte mir der patente und schicke Schnellhefter, den es laut Durable-Webseite tatsächlich bereits seit 1959 gibt.
Seit 1997 befasse ich mich noch von einer anderen Seite mit dem Thema Bewerbung. Ich berate Jobsuchende in Sachen Karriere und berufliche Positionierung. Das schleichende Verschwinden der Duraclip aus dem Alltag musste ich über die Jahre hautnah miterleben
Der Standard für jede Bewerbungsmappe in den 90ern
In den 90ern war dieses Produkt Pflicht bei jeder anspruchsvolleren Bewerbung. Man kaufte das Original, nicht eine schlechte Plastikkopie. Wer investierte, zeigte, dass ihm der Job was wert war. Farblich gab’s nicht viel zu experimentieren: Man nahm schwarz oder bestenfalls blau. Besonders pfiffige Bewerber wählten grün für die Dresdner Bank und rot für den Deutschen Gewerkschaftsbund. Selbst die Karriere in den Kreativberufen schien sich standardisiert mit der Duraclip-Klemm-Mappe anzubahnen.
So schien die Duraclip zum Quasi-Industriestandard im Bewerbungsgewerbe geworden zu sein. Sie war Zeichen ihrer Zeit: Standardisierung und Professionalisierung. Lebenslauf, Deckblatt und haufenweise Zeugniskopien waren Inhalt einer jeden Bewerbungsmappe. Wer was auf sich hielt, druckte bereits mit Nadel- oder gar Laserdrucker.
Der Einzug der Dreifaltigkeit
Es kam, was kommen musste: Nach einigen Jahren des Erfolgs musste ein neuer Trend her. Die dreifaltige Bewerbungsmappe zog ein. Hochwertige Pappeinband mit Golddruck „Bewerbungsmappe“ und Klemmbändchen. Unhandlich und kostspielig. Für diejenigen, die immer noch Hardcopy-Bewerbungen per Post versenden, hat sich diese Variante durchgesetzt und so mit zum Aussterben der Duraclip-Bewerbung beigetragen.
Mail and Online killed the Duraclip
Und dann noch das!
Wirtschaftlichkeit und Effizienz führte seit etwa 2005 dazu, dass sich die unschicke, nicht haptische Mailbewerbung gegenüber der Papierbewerbung immer stärker durchsetzte. Bei Akademikern und Führungskräften sehr früh, insgesamt seit 2011 steht die Mailbewerbung stets an erster Stelle. Nur selten wird noch die Mappe zum Anfassen und Greifen von Unternehmen eingefordert. Allein die Rücksendung der Unterlagen frisst Zeit und Geld.
Der Optimierung von PDF-Dateien gilt heute der Fokus der Aufmerksamkeit der Bewerbungsbranche. Spätestens der Einzug des Recruitings über Online-Formulare zunächst bei großen, später auch bei mittelständischen Unternehmen schien den Tod der Duraclip und Co. zu besiegeln.
Und dann noch Active Sourcing, XING und Co. Wer braucht denn da noch Schnellhefter?
Die Mappe zum Systematisch Kaffeetrinken
Ein kleines Refugium für Papierbewerbung hat sich bewahrt. Spätestens im Vorstellungsgespräch empfiehlt es sich auch heute, ein Exemplar der eigenen Bewerbung dabei zu haben. Es könnte ja jemand die Unterlagen verbaselt haben. Und was bietet sich da an? Eintüten? Dreifaltigkeitsmappen? Ich empfehle die Duraclip. Handlich, übersichtlich, schlicht.
Sie eignet sich auch prima für informelle Gespräche á la Systematisch Kaffeetrinken.
Jobsuchenden und Bewerbern empfehle ich stets: Haben Sie immer eine Mappe im Rucksack oder Auto dabei!
P.S. Die Geschichte der Bewerbung habe ich kürzlich auf einer Slide verewigt:
Der Autor: Lars Hahn ist der Entdecker von ‚Systematisch Kaffeetrinken‘ und Social Media Enthusiast. Hier bloggt er persönlich. Als Geschäftsführer der „LVQ Weiterbildung gGmbH“ beschäftigt er sich mit Weiterbildung, Recruiting, Arbeitsmarktthemen, Karriereberatung und Social Media. Lars Hahn ist zu finden bei XING, Google+, Twitter und in vielen anderen sozialen Netzwerken.
Eine Antwort auf „Duraclip. Der heiße Tipp für die Bewerbungsmappe #DAILYVANISH“
[…] Lars Hahn: “Duraclip. Der heiße Tipp für die Bewerbungsmappe #DAILYVANISH” (Duraclip) […]