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Deutschlands beste Arbeitgeber? Über den Unsinn von Rankings, reloaded.

Wieder einmal sind Deutschlands beste Arbeitgeber gekürt worden. Zum gefühlten 268ten Mal.

Ich stolperte gleich zweimal darüber durch Infografiken des von mir sehr geschätzten Statistik-Infodienstes statista.

Die erste Erhebung ist vom deutsch/österreichischen Arbeitgeberbewertungsporal kununu und Focus gar in Zusammenarbeit mit statista.

Sie wissen bereits im Januar, welches die TOP-Arbeitgeber 2018 sind: Adidas, Google, Bayer, BMW, Daimler, SAP… Ach, ehrlich? Ich hätte das auch ohne umfangreiche Untersuchung vorhersagen können. Statista hat immerhin 127.000 Arbeitgeberbewertungen untersucht – bei ca 32.000.000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Deutschland sind immerhin 0,33 Prozent aller Beschäftigten berücksichtigt worden.Infografik: Die Besten Arbeitgeber Deutschlands 2018 | Statista

EDIT: Die Focus-Kununu-statista-Erhebung hat zeitgleich übrigens auch Kollege Henner Knabenreich zum Anlass für einen Artikel genommen. Sein „Fazit: Recruiting- und Personalmarketing-Verantwortliche sollten sich von der Studie und den Ergebnissen distanzieren, Bewerber sollten sich von solchen Siegeln nicht blenden lassen und das Zustandekommen hinterfragen.“

Und noch ein Ranking

Die zweite Erhebung über die besten Arbeitgeber Deutschlands ist diesmal von Glassdoor.

Sie kennen Glassdoor nicht? Glassdoor ist ein internationales Arbeitgeberbewertungsportal. Eben das Pendant zum in Deutschland schon besser bekannten Bewertungsportal kununu. Bei meinen regelmäßigen Vorträgen vor HRlern und Jobsuchenden erlebe ich das regelmäßig: kununu kennen viele, Glassdoor kaum jemand.

Und auch dieses in Deutschland nicht so ganz bekannte Glassdoor hat nun definiert, wer „die besten Arbeitgeber Deutschlands“ seien. Hier sind die Ergebnisse:
Infografik: Deutschlands beste Arbeitgeber | Statista
Auch hier wie zu erwarten: Namhafte Unternehmen, die jeder kennt, dominieren das Ranking. Wie fast in allen Rankings finden sich Automobilhersteller, Tech-Größen wie SAP und Infineon und die beiden Sportartikel-Wettbewerber.

Die Ergebnisse „wurden auf Grundlage von Unternehmensbewertungen ermittelt, die Arbeitnehmer im vergangenen Jahr auf Glassdoor geteilt haben.“

Arbeitgeber-Ranking: Kritik und Grenzen

Von Repräsentativität keine Spur, noch nicht einmal versuchsweise. Zur Ehrenrettung: Andere Arbeitgeber-Rankings schaffen das auch nicht, repräsentativ zu wirken – ich hatte vor langer Zeit hier meine Kritik an diesen Rankings formuliert: Deutschlands beste Arbeitgeber? Nur eine weitere Infografik!

  • In der Regel fallen nämlich kleine Unternehmen aus Arbeitgeber-Rankings raus.
  • Enorme Selektivität ist vorprogrammiert und Bewerber stürzen sich auf die Ranking-Arbeitgeber, während kleine Unternehmen und das Handwerk über „Fachkräftemangel“ stöhnen.
  • Bewertungen von Offlinern lassen sich wenigstens bei kununu oder glassdoor nur schwer kriegen. Entsprechend dominieren im jeweiligen Arbeitgeber-Ranking Branchen mit hoher Online-Affinität oder eben bekannte, große Unternehmen.
  • Bei Bewertungsportalen können außerdem Gefälligkeitsbewertungen für Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter motivieren, positiv in den Plattformen zu bewerten, zu Verzerrungen führen.
  • Überdies müssen bei Arbeitgebersiegeln Unternehmen oft eine Gebühr zahlen, um in der Auswahl überhaupt dabei zu sein. Das schreckt garantiert viele Betriebe ab und hat den Ruch von Käuflichkeit. Überdies ist beim Siegel-Prinzip eine klitzekleine Auswahl von Betrieben vorprogrammiert.

Deshalb ist es schlichtweg gewagt, bei einem Ranking oder Arbeitgebersiegel seriös „Deutschlands bestem Arbeitgeber“ zu postulieren.

Kürzlich formulierte Sebastian Wolking drüben bei Karrierebibel in einem umfassenden und lesenswerten Dossier über Arbeitgeberrankings und –siegel seine Kritik: „Es handelt sich um eine sehr exklusive Auswahl an Unternehmen. Size matters! Das Gros der Arbeitgeber in Deutschland – darunter viele KMU – ist von vornherein außen vor. Heißt unterm Strich: Arbeitgeber-Bestenlisten sind mit Vorsicht zu genießen, aber auch nicht gänzlich überflüssig.“

Heißt: Man kann sie anschauen, trifft regelmäßig die üblichen Bekannten und wird Bäckerei Maier aus Franken oder Metall Schneider aus dem Sauerland garantiert dort nicht finden, obwohl sie TOP-Arbeitgeber sind und bei Mitarbeitern und in ihrer Region geschätzt werden.

Verdeckter Stellenmarkt – Empfehlungen abseits von Rankings

Viele Unternehmen sind gute und interessante Arbeitgeber, nur findet man sie in keinen Rankings. Viele schreiben noch nicht mal Stellen aus, sondern rekrutieren längst über andere Wege ihr Personal.

Denn nur etwa 30 Prozent der Stellen werden in Deutschland über Stellenportale und Jobbörsen vergeben – ich schrieb darüber kürzlich im LVQ-Blog. 70 Prozent finden ihren Weg über andere Wege, ein großer Teil über Empfehlungen von Mitarbeitern, Kollegen und Bekannten. Dieser verdeckte Stellenmarkt findet sich nie in Rankings oder teuren Arbeitgebersiegeln wieder. Besonders kleine, oft zuverlässige und attraktive Mittelständler tauchen hier nicht auf. Nur: Wie finde ich die Stellen bei den versteckten Champions? Und wie finden diese mich als Bewerber?

Ich kramte mal im Archiv und fand diese Tipps, wie Sie die attraktiven Unternehmen abseits der Rankings und Hitparaden finden. Siehe da – die Tipps sind immer noch aktuell:

7 Tipps zur Jobsuche bei den Heimlichen Siegern

  • Lassen Sie bei der Jobsuche die Markenfixierung sein.
  • Recherchieren Sie in XING und LinkedIn nach den Kleinen Ihrer Branche, schauen Sie sich die Profile deren Mitarbeiter an.
  • Nutzen Sie Netzwerke und Jobbörsen für die Heimlichen Sieger, wie z.B. yourfirm.
  • Fahren Sie offenen Auges durch Gewerbegebiete und halten Ausschau nach spannenden Unternehmen.
  • Schauen Sie sich die unbekannten Betriebe Ihrer Umgebung an, offline und online.
  • Bewerben Sie sich gar bewusst bei kleineren Betrieben, dort sind die Chancen auf Einstellung größer, weil die Anzahl der Bewerber in der Regel viel geringer ist.
  • Apropos: Wenn Sie Karriere machen wollen: Bei Kleinen sind die Aufstiegschancen oft höher!

Und Sie?

Welche Erfahrung haben Sie mit Arbeitgeber-Rankings?

Von Lars Hahn

Entdecker von 'Systematisch Kaffeetrinken'. Hier persönlich. Sonst Geschäftsführer @LVQ_Bildung. Bloggt über die Arbeitswelt, Social Media und allerlei Digitalkram.

10 Antworten auf „Deutschlands beste Arbeitgeber? Über den Unsinn von Rankings, reloaded.“

Guten Morgen Herr Hahn,

dem Artikel ist in der Tat nichts hinzuzufügen!

Einerseits arbeite ich selbst im Mittelstand und kann ihre Tipps praktisch nachweisen. Sie stimmen tatsächlich.

Andererseits produzieren derzeit in der Regel nur die großen DAX Konzerne einen Skandal nach dem anderen. Und jedes Mal mit einem enormen PR-Feuerwerk im negativen Sinne.

Vielen Dank für deine Mühe. Bitte weiter solche nützlichen und auch kritischen Artikel posten.

Vielen Dank Marc,

genau das ist der Punkt. Die Mittelständler sind oft tolle Arbeitgeber, geben aber kein Geld für die Teilnahme an Rankings aus und werden erst recht nicht automatisch berücksichtigt.

Und danke für das Lob!

Grüß Dich, Lars!

Ja, Rankings aller Art rufen bei mir gleich zumindest Vorsicht und Skepsis hervor. Zwei Ergänzungen noch dazu:

Ich habe einen internationalen wirklich riesigen Konzern als Kunden, der bei vielen nicht wirklich im Kopf ist, weils der Dachkonzern von vielen bekannten Firmen ist. Die z.B. kommen nie auf Platz 1 aus einen ziemlich seltsamen Grund:
Sie bekommen deutlichen Punktabzug, weil sie nicht bereit dazu sind, die aus Jahresgesprächen resultierenden Entwicklungsempfehlungen für die Mitarbeiter zum größten Teil (also ganz hip, weil ach so digital) online abzugeben: Also von einem Algorithmus bestimmte Maßnahme, z.B. Coaching oder Mentoring, einfach als Datei an den Mitarbeiter.

Sie weigern sich, weil sie darauf bestehen, dies in einem persönlichen Gespräch zu tun. Tja!? Was ist da jetzt besser?

Bei denen kommt noch hinzu: Die sind bei den Mitarbeitern selbst weltweit und auch bei den jungen High-Potentials, die enorm gefördert werden, wahnsinnig beliebt – sind aber trotz der gigantischen Größe aus oben genanntem Grund Hidden Champion.

Und außerdem: Ich sehe auch diese Gefahr: Firmen, die sich aufgrund der Top3 Platzierung in diesem Ranking vor Bewerbungen nicht retten können, lassen irgendwann mal stark nach in Sachen „Wodurch sind wir attraktiv als Arbeitgeber – wie können wir neue finden und bestehende halten?“. Weil sie es nicht mehr nötig haben.

Ein selbst lange erlebtes Beispiel (viele Jahre als Trainerin und Gespräche mit vielen MA) ist ein sehr attraktives, in München ansässiges Weltunternehmen. Wenn Du da die Stimmen von MA hörst (natürlich nie representativ)… da gruselts dir und du möchtest DA sicher NICHT arbeiten.

Herzlichst, Bettina

Mal wieder kompetent und sicher auf den Punkt gebracht. Danke Herr Hahn.

Aber ich muss trotzdem mal nachfragen: Bei mir erscheinen die beiden größeren Infografiken völlig unscharf. Ich kann nichts lesen, manche Logos maximal erahnen. Liegt das an mir?

Grüße
Dieter-Michael Last

Danke, Herr Last für die Info.

Unterwegs heute konnte ich nur auf dem Smartphone prüfen, da war es in Ordnung. Jetzt seh ich am Rechner die unscharfe Variante. Ich fürchte ich muss es bis Montag so lassen und hoffen, dass die meisten mobil zugreifen. :-)

Ihnen vielen Dank und liebe Grüße!
Lars Hahn

Hi Lars,
es ist witzig, dass nach so vielen Rankings auf einmal die Menge an Blogbeiträgen dazu wieder ansteigt. Aber es stimmt schon: Noch hat es sich nicht genug herumgesprochen, dass es um ein lukratives Geschäftsmodell geht mit den Lizenzgebühren für die Nutzung der verliehenen Siegel. Insofern: Zustimmung!
Einer meiner letzten Beiträge zu diesem Thema ist von 2016 und hatte auch persönliche Hintergründe: https://persoblogger.de/2016/12/12/warum-es-im-mittelstand-keine-top-arbeitgeber-gibt/
Vielleicht als Leseergänzung interessant.
Jetzt erstmal ein erholsames Wochenende!!
Grüße vom Persoblogger
P.S.: Bei mir werden die Bilder auch nur komplett unscharf dargestellt.

Danke Stefan für die Ergänzung. In der Tat ist das Geschäftsmodell fraglich, darüber hat ja heute auch noch der Henner geschrieben.

Was mich mehr ärgert ist die Verzerrung des Arbeitsmarktes. Bewerber, gerade Berufsstarter, werden geblendet und glauben bisweilen, es lohne sich quasi nur, bei den gerankten Unternehmen anzuklopfen. Player, die sich darauf nicht einlassen oder die Mittelständler der Provinz, erhalten so noch weniger Aufmerksamkeit.

Und die großen „besten Arbeitgeber“ stöhnen unter der Last der Bewerber (selber schuld).

Hi Lars,
danke, interessanter Artikel. Zu einer wahren Meisterschaft in der Disziplin der Gaga-Rankings hat es meiner Erfahrung nach Focus Money gemeinsam mit Deutschland testet gebracht.
Die bringen ständig neue „Siegel“ heraus. Methodisch höchst fragwürdig und offenkundig vor allem zum Zweck des Geld verdienens konzipiert. Neben den Arbeitgeber Rankings gibt es noch die Rankings für Kundenzufriedenheit etc. Meist von den gleichen Anbietern, und ähnlich wenig seriös.
Mir tun die Unternehmen Leid die darauf reinfallen.
VG, Erik

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